Erzgebirgskreis wirft 1700 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aus Wohnungen

Binnen vier Wochen nach Erhalt des Kündigungsschreibens müssen Ukrainer die ihnen zur Verfügung gestellten Wohnungen verlassen. So heißt es in einem Schreiben des Landratsamtes, das Fragen aufwirft.

Erzgebirge. Dieser Schritt birgt Zündstoff. Der Erzgebirgskreis wirft Kriegsflüchtlinge aus Wohnungen. Das geht aus einem Schreiben hervor, das „Freie Presse“ exklusiv vorliegt. Darin wird eine Ukrainerin aufgefordert, sich umgehend eigenen Wohnraum zu suchen und die ihr zur Verfügung gestellte Wohnung zu verlassen.

Ein Vorgehen, das Fragen aufwirft. Zumal der Landkreis erst jüngst bei der Unterbringung von Kriegsflüchtlingen einen Weg einschlug, der für heftige Kritik sorgte. Nun geht der Kreis sogar noch einen Schritt weiter.
Landkreis kündigt Verträge

Denn in dem Brief an die Ukrainerin – datiert vom 13. Mai – heißt es, dass die Unterbringungsbehörde beabsichtigt, den zugrunde liegenden Vertrag zu kündigen: „Aus diesem Grund fordern wir Sie hiermit dazu auf, sich umgehend eigenen Wohnraum zu suchen und die Ihnen zur Verfügung gestellte Wohnung bis zum 15. Juni, 12 Uhr, zu verlassen. Ab diesem Datum widerrufen wir die Nutzung der Wohnung.“ Und das ist kein Einzelfall.

„Etwa 1700 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in 650 Wohnungen werden beziehungsweise wurden bereits angeschrieben“, erklärt Landratsamtssprecher Stefan Pechfelder. Kommen die Ukrainer der Forderung nicht nach, seien sogar Räumungen nicht auszuschließen. „Wir hoffen aber auf Mitwirkung der betroffenen Bewohner, um solche Schritte möglichst vermeiden zu können“, ergänzt der Pressesprecher.

Doch warum geht der Landkreis so vor? Landrat Rico Anton (CDU) schlägt schon seit mehr als einem Jahr Alarm, dass Unterkünfte für Geflüchtete knapp würden. Zwischenzeitlich war sogar von Zeltstädten und Container-Lösungen die Rede. Schließlich erwarb die landkreiseigene Dienstleistungsgesellschaft Erzgebirge (DGE) mbH eine ehemalige Reha-Klinik bei Grünhain, die seit Ende 2023 als nunmehr neunte Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber im Erzgebirge genutzt wird.

Ukrainer „blockieren“ Wohnungen für Asylbewerber

Zusätzlich stellt der Kreis zur Unterbringung dezentral sogenannte Gewährswohnungen. Doch genau diese würden von Ukrainern blockiert. Es wird sogar öffentlich von einer „Fehlbelegung“ gesprochen. Denn: Seit einer Gesetzesänderung im Sommer 2022 stehen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine mit Erteilung des Aufenthaltsrechts – meist binnen 24 Stunden – Bürgergeld und damit auch eine eigene Wohnung zu. Ein Anspruch auf Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft oder Gewährswohnung sei damit nicht mehr gegeben, so Pechfelder. „Vielmehr ist im Sinne des Gleichbehandlungsprinzips jeder Bürgergeld- oder Sozialhilfeempfänger ungesehen seiner Herkunft gehalten, sich um einen angemessenen Mietraum zu kümmern.“

Genau darüber seien die in diesen Wohnungen lebenden Ukrainer schon 2022 nach der gesetzlichen Änderung schriftlich informiert worden. Ende vergangenen Jahres wurden sie erneut angeschrieben und mit einer „angemessenen Frist“ zum Auszug aufgefordert. Nun kündigt der Kreis schrittweise die noch bestehenden Verträge. In der Regel werde eine Kündigungsfrist von vier Wochen eingeräumt, so Pechfelder. Ein Auszug könne nur umgangen werden, wenn der Vermieter bereit ist, einen neuen, privatrechtlichen Mietvertrag mit den ukrainischen Bewohnern abzuschließen.

Notunterkunft soll Obdachlosigkeit verhindern

Bei der Wohnungssuche stünden den Kriegsflüchtlingen alle Möglichkeiten des Wohnungsmarktes und die Unterstützungsangebote über das Jobcenter, die Wohnungslosenberatung und gemeinnützige Organisationen zur Verfügung. Zudem habe das Landratsamt kommunale Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften zu diesem Thema sensibilisiert. Der Erzgebirgskreis selbst hält für Ukrainer aber keine Unterbringungsplätze mehr vor.

Um drohende Obdachlosigkeit zu verhindern, bietet der Kreis den Kriegsflüchtlingen lediglich ein Nachtquartier an. Dafür wurde in der Turnhalle im Burkhardtsdorfer Ortsteil Meinersdorf Anfang 2024 eine vorübergehende Notunterkunft eingerichtet. Eine Entscheidung, die für Kritik sorgte.

Vom Landesflüchtlingsrat waren schon kurz nach der Inbetriebnahme im Februar „unwürdige Bedingungen“ in der Notunterkunft angeprangert worden.